Schluchten-Hopping im Karijini Nationalpark

3 Aug

Drei Tage lang haben wir nicht mehr richtig geduscht. Seit 2500 Kilometern standen wir nicht mehr an einer Verkehrsampel. Seit Carnarvon hatte ich keinen Handy-Empfang mehr. Wir sind von unserem naechsten Aufenthalt nach Exmouth mal eben kurz „zur Tanke“ gefahren, weil wir Sprit brauchten – 80 Kilometer, one way. Deutschland hat einen Tag zuvor in der Fussball-WM im Halbfinale gespielt und wir wissen erst zwei oder drei Tage spaeter, wie es ausgegangen ist. Unser Alltag dreht sich um grosse und kleine Abenteuer und um Fragen wie „Wie viele Kilometer sind es bis irgendwohin?“, „Schaffen wir das mit unserer Tankfuellung?“, „Haben wir noch genug Frischwasser?“, „Stinkt die Buschtoilette und was fuer Klopapier ist darin?“ und „Wo ist der Autoschluessel?“ Meine Fingernaegel sind dreckig, die Fuesse voller Schrammen und Wunden und dauerhaft orange-rot wie der australische Sand und alles, die Klamotten, die Matratze, das ganze Innere des Autos ist voll mit rotem Staub. Wir sind endgueltig in der Abgeschiedenheit angekommen. Dazu sind wir von Exmouth aus circa 500 Kilometer landeinwaerts gefahren, zum Karijini Nationalpark. Dieser Name loest bei allen Reisenden, die dort waren, wissende Begeisterung aus. Bei mir auch.

Ich habe wohl noch nie so schoene Landschaft gesehen, auch wenn es schwer ist, tolle Straende mit Outback oder Gebirgsketten zu vergleichen. Schon die Anfahrt in den Park bei Sonnenaufgang (um einen Stellplatz zu ergattern) hat mich umgehauen.

Am Strassenrand rostrote Erde, dahinter ein Streifen mal gold-, mal silberfarben schimmernde Spinifexbuesche. Weich und fast moosig sieht das Teufelszeug aus, das blutige Wunden verursachen und fies pieksen kann. Dahinter weissstaemmige Eukalyptusbaeume und duerres Buschland. Im Hintergrund die Hamersley Range, ueber der langsam die Sonne aufgeht. Gebirgszuege, soweit man gucken kann. Einer schoener als der andere. Manche kantig und rostrot, manche dunkelbraun mit roten Schichten, manche bedeckt von scheinbar fluffigem Spinifex-Flaum. In den Kanten und Falten der Bergkaemme liegt noch die dunkle Nacht, waehrend der Rest im Morgenrot liegt, ueberzogen von riesigen Wolkenschatten. Darueber blau-weisser Himmel.

Wir fahren zum Teil ueber Outbackstrassen – Gravel Road – und ziehen eine lange Staubfahne hinter uns her. Es geht ueber Schotter- und Waschbrettpiste, mit 20-50 Stundenkilometern. Das Auto rappelt und knarzt. Ich staune und starre aus dem Fenster. Stundenlang.

Wir uebernachten auf dem im Nationalpark gelegenen Savannah Campground. Hier gibt es nichts ausser einer Buschtoilette. Wir kochen mit unserem Gaskocher, duschen uns mal mit unserem Frischwasser ab, haben wenn die Dunkelheit um halb sechs hereinbricht kaum noch Licht. Nachts klettere ich aus dem Auto und gehe in absoluter Dunkelheit aufs Bush-Loo. Nur was meine kleine Funzel anleuchtet, kann ich sehen. Starre dabei abwechselnd in den durch kein Licht geschmaelerten Sternenhimmel ueber mir und frage mich andererseits, was ich machen wuerde, sollte ploetzlich ein Dingo vor mir stehen. Wir uebernachten in Dingo-Gebiet, sagen Warnschilder. Diese Wildhunde sind fuer Erwachsene nicht unbedingt gefaehrlich, koennen aber aggressiv sein und haben durchaus schon Kinder getoetet. Moechte man unbedingt mal sehen, aber nicht beim naechtlichen Toilettengang.

Im Karijini Nationalpark ist Schluchten-Hopping angesagt. Wir wandern, klettern, waten, springen, schwimmen durch die Schluchten und darin liegenden, felsigen Badepools. Triathlon. Der Fern Pool wird von einem sanften, breiten Wasserfall gespeist. Ueberall Farne und Moose. Die Sonne scheint ins tuerkis-gruene Wasser.

In der selben Schlucht (Dales Gorge) liegt weiter hinten der Circular Pool: Schattig, rund und von noch mehr Moos umgeben. Das Wasser plaetschert in so kleinen Rinnsalen die Felswand hinunter, dass man es beinahe nicht sehen, nur hoeren kann.

Ich kann nicht glauben, dass ich das alles anfassen kann. Dass ich nicht einen Reisekatalog vor der Nase habe. Oder eine Werbeanzeige. Oder ein riesengrosses, mit bunten Gift-Froeschen bewohntes Regenwald-Terrarium. Surreal idyllisch ist es, auch wenn wir selten alleine sind.

Einmal muessen wir mitsamt Klamotten, Wanderschuhe um den Hals gebunden, durch oberschenkelhohes Wasser waten. Anschliessend zitternd und zweifelnd nur mit der Fusskante auf einem schmalen Sims eine Felswand entlang balancieren, darunter Wasser. Hoch ist es nicht, aber Abrutschen und Reinfallen waere nicht nur aergerlich, sondern wuerde meine Kamera zerstoeren. Immer werden wir von Australiern ueberholt, die irgendwie tausend Mal geschickter sind. Wir wissen manchmal nicht, wie wir wieder zurueck kommen sollen. Aber als Belohnung fuer Strapazen, nasse Hosen, nie wieder sauber werdende Klamotten und offene Fuesse erwarten uns immer tolle Pools.

Wir klettern in die Weano Gorge, die am Ende in den Handrail Pool uebergeht. Danach geht es nur noch mit Kletterausruestung und Helm weiter, ueber Felswaende und mit zu durchschwimmenden Pools. Der Uebergang in den Handrail Pool ist der Hammer. Ganz schmal wird die Schlucht ploetzlich. Durch eine winzige Spalte aus nacktem Fels muss man durch, am Boden plaetschert Wasser. Glitschig ist es, eng.

Dann geht es steil nach unten fuer einige Meter. Der kleine Bach wird zum Wasserfall, einzig ein an den Fels geschraubtes Gelaender mit ein paar in den Fels gehauenen Stufen hilft einem, in den kleinen Pool abzusteigen. Senkrecht nach unten, am Wasserfall vorbei.

Der Handrail Pool ist eine wassergefuellte Felskammer. Keine Sonne kommt hierhin, dafuer ist die Schlucht hier zu hoch. Bei starken Regenfaellen gibt es kein Entkommen, Springfluten reissen alles mit. Wasser hat hier donnernd den Fels geformt. Die Gewalt kann man schlicht sehen.

In der Hamersley Gorge klettern wir ueber glatte, schraege Felsflaechen an kniffligen Stellen vorbei, wissen wieder einmal nicht, ob wir da wieder zurueck kommen. Wie ein Batzen Kopierpapier stapeln sich hier die Felsschichten. Aber wir kommen nicht weiter, zu viel Wasser blockiert den Weg. Es gibt schlimmeres. Wir bleiben einfach am Pool und baden. Die Dusche fuer den Tag nehmen wir unter einem Wasserfall, der in einen kleinen separaten Pool fliesst. Badewannentemperatur, fast zumindest.

Immer wieder muss ich mich losreissen von diesen Pools und Schluchten. Frage mich, wie ich das alles festhalten kann. Weiss, dass Fotos das nicht wiedergeben koennen, auch nicht mit Weitwinkel. Mache trotzdem hunderte. Versuche abends, das alles mit Worten ins Tagebuch einzufangen. Und merke, dass mein Wortschatz zu klein ist fuer diese Landschaft.

Wie immer: Mehr Fotos vom Karijini Nationalpark gibts in meinem Picasa-Album. Und Sabine, meine Reisepartnerin, verraet ueber unseren Karijini-Aufenthalt noch ganz andere Sachen. 🙂

3 Antworten to “Schluchten-Hopping im Karijini Nationalpark”

  1. Gabi.G. Dienstag, August 3, 2010 um 09:55 #

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    *neid*gönn*freu*schnief*

  2. Muschelschubserin Dienstag, August 3, 2010 um 10:29 #

    Oh. Jetzt weiss ich auch auf einmal, warum ich so platt bin und mal eine Weile Abenteuer-Ruhe haben will. 🙂

Trackbacks/Pingbacks

  1. Edith Falls – Ueberraschend schoener Zwischenstopp « Muschelschubserin - Samstag, September 4, 2010

    […] Die Upper Pools sind gross genug zum Schwimmen, umgeben von Felsen und werden von einem breiten, aber nur mittelhohen Wasserfall gespeist. Mehrere Pools gehen ineinander ueber. Es klingt abgedroschen, aber ich finde den Ort idyllisch. Und mindestens so schoen wie die Pools im Karijini Nationalpark. […]

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