Vor einer Weile bekam ich vom Hamburger Bunkverlag das Angebot, den Relaunch des uMag hier im Blog zu kommentieren. Als Journalistin, Onlinerin, aber eben auch großer Print-Fan fand ich die Idee spannend – zumal es keinerlei inhaltliche oder formale Vorgaben für die Kritik gab. Los geht’s.
Das alte U_mag und das neue uMag.
Das (neue) uMag
Das uMag ist nach Verlagsangaben ein Magazin für die junge Szene und Alternativkultur. Als Zielgruppe definiert der Bunkverlag Großstädter zwischen 20 und 39 Jahren: „lässig, gebildet, szenig und meinungsstark. Als Early Adopters in den Bereichen Style, Kommunikation, Musik und Kultur sind sie eine interessante Zielgruppe für die Werbewirtschaft. Diese Zielgruppe des neuen uMag liest jedoch kaum Tageszeitungen und erwartet am Zeitschriftenkiosk nur wenig Geeignetes für sich. Dafür hat die Zielgruppe das Netz und Community-Seiten wie facebook stark in ihren Alltag integriert.“ Das uMag soll als Printmagazin also Onliner ansprechen. Dabei geht der Verlag von „veränderten Lesegewohnheiten“ aus und setzt auf kurze Texte sowie ein aufgelockertes Layout. In Zusammenarbeit mit der Werbeagentur Jung von Matt / Elbe wurde das Magazin komplett überarbeitet. Man könnte sich fragen, ob das neue uMag überhaupt noch das uMag ist, so krass ist der Relaunch vom Umfang her ausgefallen.
Das (neue) uMag und ich
Mir war das uMag bisher unbekannt. Obwohl einiges dafür spricht, dass ich zur Zielgruppe gehöre (Großstädterin, Alter, formale Bildung, Online-Affinität), würde ich mich selbst ungerne als „lässig“ und „szenig“ bezeichnen oder als Early Adopter in Sachen Style, Musik und Kultur. Vor allem ist es aber so: Ich liebe Print genauso wie Online, allerdings aus anderen Gründen. Ich hole mir aktuelle Nachrichten online, habe aber mit GEO und ZEIT zwei Print-Titel im Abo, die eben nicht für kurze, häppchenweise präsentierte Texte bekannt sind. Ich persönlich möchte mich mit Print auf die Couch legen und in ein informatives, mich forderndes und ausführliches Lese-Erlebnis eintauchen. Der andere Grund dafür, dass ich eher nicht zur Zielgruppe gehöre: Ich konnte noch nie wirklich etwas mit Lifestyle-Magazinen anfangen, offline wie online.
Titel & Optik – und erst die Haptik!
Das neue uMag widerspricht schon rein haptisch allem, was es auf dem Zeitschriftenmarkt bisher gibt. Es ist auf gräulichem, ungewöhnlich festem und mattem Papier gedruckt. Das widerspricht auch dem alten uMag, welches U_mag hieß und aus dünnem, glänzendem, weißem Papier bestand. Das war sicher eine sehr mutige Entscheidung, aber ich steh auf das neue Papier! Die Haptik ist toll und nach kurzer Eingewöhnung empfinde ich den Farbruck und die Freiflächen auf den Seiten nicht als matter oder gräulicher als gewöhnlich. Obendrein passt das Papier zum Inhalt des Magazins und einzelnen Beiträgen zu Umweltthemen oder Vintage-Trends.
Ebenso gut gefällt mir das handlichere Format. Die Seitenzahl ist in etwa gleich geblieben, dafür gab’s ne saftige Preiserhöhung von 80 Cent auf 3,30 Euro. Die neue Schreibweise des Titels finde ich gut, allerdings gefällt mir die Umsetzung auf dem Titel nicht. Dass dieser komische schwarze Kasten ein „U“ darstellen soll, ist mir erst aufgefallen, als ich in meine Notizen zur Rezension was von „komischer schwarzer Kasten“ geschrieben und daraufhin noch einmal genauer drauf geguckt hatte. Auch scheint mir der Titel „uMag“ zu verloren in den Balken des U gequetscht. Insgesamt aber gefällt mir die Neugestaltung des Titels. Er sieht – nicht zuletzt wegen dem Papier – wesentlich edler und durch das ganzseitige Foto weniger „stadtmagazinig“ aus als der alte Titel.
Orientierung
Was mir in Sachen Lese-Orientierung im neuen uMag besser, aber trotzdem nur bedingt gefällt: Das Inhaltsverzeichnis. Im alten Magazin existierten die Ressorts quasi nur im Verzeichnis, inhaltlich waren die Schwerpunkte quer durchs Heft gestreut. Das neue Verzeichnis hat neue Ressorts, anhand der Seitenangaben sieht man, dass die Beiträge im Heft passend dazu gebündelt sind – so wie es sein sollte. Zu den „Shorts“ fehlen mir jeweils genaue Seitenangaben. Ganz schöne Sucherei, wenn man was gelesen hat und nochmal dorthin zurück will…
Das neue Inhaltsverzeichnis.
Was mir überhaupt nicht gefällt: Die Titel von zwei der vier neuen Ressorts. Hier merkt man meiner Meinung nach am deutlichsten, dass der Relaunch von einer Werbeagentur durchgeführt wurde. Um auf Teufel komm raus den Dreh zum Magazin-Titel hinzubekommen, hat man sich weitgehend von den klassischen Ressorts gelöst. Die neuen heißen „uniq“, „Music“, „arts“ und „go ahead!“ – ergibt zusammen „uMag„. Während „Music“ und „arts“ selbsterklärend sind, wird mir auch auf den zweiten Blick nicht klar, was unter „uniq“ und „go ahead!“ zu verstehen ist und wie sich diese Ressorts unterscheiden. In der Verlagsmitteilung zum Relaunch heißt es: „Der Einstieg erfolgt mit dem Bereich „Uniq“. uMag porträtiert Persönlichkeiten (…), kommentiert Trends (…) und zeigt, wie man daraus für sich etwas Einzigartiges macht. (…) Und zuletzt „Go ahead“. Hier werden gesellschaftliche und politische Themen (…) im Dialog mit Fachleuten in die Lebenswelt der Leser geholt.“ Ich könnte mir tausend Themen vorstellen, die in beide Ressorts passen. Zum Beispiel der Beitrag „Die Konsumlüge“ aus dem alten U_mag – in dem eine Autorin den Trend, durch bewusstes Einkaufen Einfluss auf die Wirtschaft zu nehmen, kritisiert. Die Geschichte passt in beide neuen Ressorts. Diese beiden Ressorts erfüllen meiner Meinung nach nicht den Zweck der inhaltlichen Orientierung.
Das Layout
Mini-Schrift im "Checkbrief".
Das Layout gefällt mir viel besser als vor dem Relaunch. Es wirkt edler und wesentlich kreativer als im alten Heft. Der gestalterische, zuvor an ein kostenloses Stadtmagazin erinnernde Einheitsbrei ist optischer Einzigartigkeit gewichen. Der Identifikation und somit Leserbindung dürfte das zugute kommen. Denn was bitte möchte man als Leser weniger, als ein verwechselbares Durchschnitts-Produkt? Da nehm ich lieber die ein oder andere Kleinigkeit in Kauf, die nicht meinem Geschmack entspricht, hab dafür aber was optisch Anregendes in der Hand. Was gar nicht geht: Die „Checkbriefe“ und die Seitenzahlen. Die Schrift ist geradezu verboten klein (s. Foto).
Der Inhalt
Positiv hervorheben möchte ich hier die Platten-Rezis unter „Auflegen oder aufregen?“ (S. 32). Ich lese Musik-Rezensionen fast nie – weil Musik Geschmacksache ist, weil Rezensenten sich gerne mal einen „abschwurbeln“ und weil ich online sehr viel mehr Rezis zu einem Produkt lesen kann, wenn auch teilweise von Amateuren. Der Bunkverlag schreibt: „Musikjournalismus muss neue Wege gehen, deshalb: diskutieren statt dozieren.“ Und das wird hier prima umgesetzt: Drei uMag-Redakteure und ein Musiker machen sich gemeinsam über neue Platten her und schreiben ihre durchaus kontroversen Meinungen dazu gesprächsartig auf (Katharina: „Ich finde zwar deinen Ansatz falsch, Carsten, stimme aber mit dir überein, das das Album doof ist.“)
Die Twitter-Geschichte dagegen ist – mit Verlaub – schrott. Viel zu oberflächlich, kein Fokus, ich versteh gar nicht, was eigentlich Thema der Geschichte sein sollte? Ich finde, der Beitrag ist weder eine „Bestandsaufnahme“, noch sind die kleinen Interviews „Widerworte“. Das Ganze sieht arg nach „Wir brauchen noch IRGENDwas mit Internet im Magazin“ kurz vor Redaktionsschluss aus. Schade, denn davon fühle ich mich als Onlinerin eher veräppelt als angesprochen. Hier hätte die Redaktion richtig Eindruck schinden können mit ihrer Online-Kompetenz. Hätte… können.
Ansonsten wird viel Wert auf eine Verknüpfung zwischen Print und Online gelegt. Die Redaktionsmitglieder sind alle per E-Mail zu erreichen (endlich sieht man das mal im Impressum!), einige Geschichten, wie die über die Blood Red Shoes, werden multimedial ergänzt durch Videos vom Shooting und weitere Fotos auf der Website. Auf Seite 34 wird ein Interview samt Mini-Konzert mit Sterne-Sänger Frank Spilker sogar nur mit einem Foto und kurzem Text angeteasert – zu sehen gibt es das NUR online. Endlich zeigt mal eine Printredaktion Mut zum Experiment. Einzig den allgemeinen Link zur Website anstelle eines Direktlinks halte ich nicht für sehr nutzerfreundlich. Und über eine Kommentarfunktion könnte man vielleicht mal nachdenken, zumal die Einbindung der Leser explizit als Ziel des Magazins formuliert wird.
FAZIT
Das neue uMag ist viel besser als das alte. Weil es sich vom Rest des Marktes abhebt, weil es – ganz im Gegensatz zur alten Version – einen eigensinnigen Charakter hat, weil es sich toll anfühlt und das „Hippe“ und „Stylische“ jetzt optisch rüber kommen. Am Kopf des Titels könnte und sollte man meiner Meinung nach noch arbeiten, ebenso an den „Checkbriefen“, den Seitenzahlen und den Ressortnamen. Alle Geschichten sind unterhaltsam und können „zwischendurch“ konsumiert werden. Auch aus journalistischer Sicht spannend und lobenswert finde ich die Verknüpfung von Print und Online. Was ich vermisse ist vor allem Tiefe. Weil Tiefe das ist, was ich persönlich von Print erwarte. Das Konzept des uMag widerspricht dem grundlegend. In so kompakten Beiträgen kann man nicht in die Tiefe gehen, das liegt in der Natur der Sache. Wer also „lässig“ und „szenig“ ist, sich für Alternativkultur interessiert und für kompakte Lese-Häppchen 3,30 Euro zu bezahlen bereit ist, kann hier eine durchaus ansprechende neue Lese-Heimat finden. Die neueste (hier nicht berücksichtigte) Ausgabe liegt bereits seit 15. März in der Auslage.
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→ Im neuen uMag probeblättern sowie ein Video zum Relaunch ansehen kann man hier.
→ Wer lesen möchte, was andere Blogger über das uMag danken, wird hier fündig. Der Mediendienst DWDL meint, der Relaunch habe die „Zeitschrift ruiniert“ und hält das Ergebnis für „absolut erschütternd“. Bei Meedia (ebenfalls ein Mediendienst) ist man der Meinung, das neue uMag käme „im wahrsten Sinne des Wortes blass daher“ und kritisiert vor allem, dass der Relaunch durch eine Werbeagentur durchgeführt wurde.
→ Im DWDL-Interview äußert sich Verleger Uwe Bunk zur Kritik am Relaunch.
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Schlagwörter: Journalismus, Medien, Print
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