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Nebenan: Umfangreiche Informationen zu Zyklon Yasi

3 Feb

Ich bin mal kurz furchtbar selbstreferentiell. Weil ich hier im Blog so viel zu und über Australien berichtet habe, ein Hinweis: Drüben, bei Stift und Blog, habe ich zum Zyklon Yasi, der die australische Ostküste gestern getroffen hat, eine umfangreiche Liste mit Quellen, Hintergrundinfos, Augenzeugen, Zitaten etc. zusammengestellt.

Die Liste ist ein Beispiel dafür, was man bei aktuellen Ereignissen selbst vom anderen Ende der Welt an Infos bekommen kann – ohne dabei auf hier heimische Quellen zurückzugreifen. Die Mischung aus traditionellen Medien und Social Media bringt verlässliche und authentische Informationen von vor Ort. Würden doch mehr Medien diese Möglichkeiten nutzen, anstatt Agenturmeldungen haufenweise zu kopieren und zu veröffentlichen…

Zum Beitrag bei Stift und Blog.

… Und erst die Haptik! Zum Relaunch des uMag

31 Mär

Vor einer Weile bekam ich vom Hamburger Bunkverlag das Angebot, den Relaunch des uMag hier im Blog zu kommentieren. Als Journalistin, Onlinerin, aber eben auch großer Print-Fan fand ich die Idee spannend – zumal es keinerlei inhaltliche oder formale Vorgaben für die Kritik gab. Los geht’s.

Das alte U_mag und das neue uMag.

Das (neue) uMag

Das uMag ist nach Verlagsangaben ein Magazin für die junge Szene und Alternativkultur. Als Zielgruppe definiert der Bunkverlag Großstädter zwischen 20 und 39 Jahren: „lässig, gebildet, szenig und meinungsstark. Als Early Adopters in den Bereichen Style, Kommunikation, Musik und Kultur sind sie eine interessante Zielgruppe für die Werbewirtschaft. Diese Zielgruppe des neuen uMag liest jedoch kaum Tageszeitungen und erwartet am Zeitschriftenkiosk nur wenig Geeignetes für sich. Dafür hat die Zielgruppe das Netz und Community-Seiten wie facebook stark in ihren Alltag integriert.“ Das uMag soll als Printmagazin also Onliner ansprechen. Dabei geht der Verlag von „veränderten Lesegewohnheiten“ aus und setzt auf kurze Texte sowie ein aufgelockertes Layout. In Zusammenarbeit mit der Werbeagentur Jung von Matt / Elbe wurde das Magazin komplett überarbeitet. Man könnte sich fragen, ob das neue uMag überhaupt noch das uMag ist, so krass ist der Relaunch vom Umfang her ausgefallen.

Das (neue) uMag und ich

Mir war das uMag bisher unbekannt. Obwohl einiges dafür spricht, dass ich zur Zielgruppe gehöre (Großstädterin, Alter, formale Bildung, Online-Affinität), würde ich mich selbst ungerne als „lässig“ und „szenig“ bezeichnen oder als Early Adopter in Sachen Style, Musik und Kultur. Vor allem ist es aber so: Ich liebe Print genauso wie Online, allerdings aus anderen Gründen. Ich hole mir aktuelle Nachrichten online, habe aber mit GEO und ZEIT zwei Print-Titel im Abo, die eben nicht für kurze, häppchenweise präsentierte Texte bekannt sind. Ich persönlich möchte mich mit Print auf die Couch legen und in ein informatives, mich forderndes und ausführliches Lese-Erlebnis eintauchen. Der andere Grund dafür, dass ich eher nicht zur Zielgruppe gehöre: Ich konnte noch nie wirklich etwas mit Lifestyle-Magazinen anfangen, offline wie online.

Titel & Optik – und erst die Haptik!

Das neue uMag widerspricht schon rein haptisch allem, was es auf dem Zeitschriftenmarkt bisher gibt. Es ist auf gräulichem, ungewöhnlich festem und mattem Papier gedruckt. Das widerspricht auch dem alten uMag, welches U_mag hieß und aus dünnem, glänzendem, weißem Papier bestand. Das war sicher eine sehr mutige Entscheidung, aber ich steh auf das neue Papier! Die Haptik ist toll und nach kurzer Eingewöhnung empfinde ich den Farbruck und die Freiflächen auf den Seiten nicht als matter oder gräulicher als gewöhnlich. Obendrein passt das Papier zum Inhalt des Magazins und einzelnen Beiträgen zu Umweltthemen oder Vintage-Trends.

Ebenso gut gefällt mir das handlichere Format. Die Seitenzahl ist in etwa gleich geblieben, dafür gab’s ne saftige Preiserhöhung von 80 Cent auf 3,30 Euro. Die neue Schreibweise des Titels finde ich gut, allerdings gefällt mir die Umsetzung auf dem Titel nicht. Dass dieser komische schwarze Kasten ein „U“ darstellen soll, ist mir erst aufgefallen, als ich in meine Notizen zur Rezension was von „komischer schwarzer Kasten“ geschrieben und daraufhin noch einmal genauer drauf geguckt hatte. Auch scheint mir der Titel „uMag“ zu verloren in den Balken des U gequetscht. Insgesamt aber gefällt mir die Neugestaltung des Titels. Er sieht – nicht zuletzt wegen dem Papier – wesentlich edler und durch das ganzseitige Foto weniger „stadtmagazinig“ aus als der alte Titel.

Orientierung

Was mir in Sachen Lese-Orientierung im neuen uMag besser, aber trotzdem nur bedingt gefällt: Das Inhaltsverzeichnis. Im alten Magazin existierten die Ressorts quasi nur im Verzeichnis, inhaltlich waren die Schwerpunkte quer durchs Heft gestreut. Das neue Verzeichnis hat neue Ressorts, anhand der Seitenangaben sieht man, dass die Beiträge im Heft passend dazu gebündelt sind – so wie es sein sollte.  Zu den „Shorts“ fehlen mir jeweils genaue Seitenangaben. Ganz schöne Sucherei, wenn man was gelesen hat und nochmal dorthin zurück will…

Das neue Inhaltsverzeichnis.

Was mir überhaupt nicht gefällt: Die Titel von zwei der vier neuen Ressorts. Hier merkt man meiner Meinung nach am deutlichsten, dass der Relaunch von einer Werbeagentur durchgeführt wurde. Um auf Teufel komm raus den Dreh zum Magazin-Titel hinzubekommen, hat man sich weitgehend von den klassischen Ressorts gelöst. Die neuen heißen „uniq“, „Music“, „arts“ und „go ahead!“ – ergibt zusammen „uMag„. Während „Music“ und „arts“ selbsterklärend sind, wird mir auch auf den zweiten Blick nicht klar, was unter „uniq“ und „go ahead!“ zu verstehen ist und wie sich diese Ressorts unterscheiden. In der Verlagsmitteilung zum Relaunch heißt es: „Der Einstieg erfolgt mit dem Bereich „Uniq“. uMag porträtiert Persönlichkeiten (…), kommentiert Trends (…) und zeigt, wie man daraus für sich etwas Einzigartiges macht. (…) Und zuletzt „Go ahead“. Hier werden gesellschaftliche und politische Themen (…) im Dialog mit Fachleuten in die Lebenswelt der Leser geholt.“ Ich könnte mir tausend Themen vorstellen, die in beide Ressorts passen. Zum Beispiel der Beitrag „Die Konsumlüge“ aus dem alten U_mag – in dem eine Autorin den Trend, durch bewusstes Einkaufen Einfluss auf die Wirtschaft zu nehmen, kritisiert.  Die Geschichte passt in beide neuen Ressorts. Diese beiden Ressorts erfüllen meiner Meinung nach nicht den Zweck der inhaltlichen Orientierung.

Das Layout

Mini-Schrift im "Checkbrief".

Das Layout gefällt mir viel besser als vor dem Relaunch. Es wirkt edler und wesentlich kreativer als im alten Heft. Der gestalterische, zuvor an ein kostenloses Stadtmagazin erinnernde Einheitsbrei ist optischer Einzigartigkeit gewichen. Der Identifikation und somit Leserbindung dürfte das zugute kommen. Denn was bitte möchte man als Leser weniger, als ein verwechselbares Durchschnitts-Produkt? Da nehm ich lieber die ein oder andere Kleinigkeit in Kauf, die nicht meinem Geschmack entspricht, hab dafür aber was optisch Anregendes in der Hand. Was gar nicht geht: Die „Checkbriefe“ und die Seitenzahlen. Die Schrift ist geradezu verboten klein (s. Foto).

Der Inhalt

Positiv hervorheben möchte ich hier die Platten-Rezis unter „Auflegen oder aufregen?“ (S. 32). Ich lese Musik-Rezensionen fast nie – weil Musik Geschmacksache ist, weil Rezensenten sich gerne mal einen „abschwurbeln“ und weil ich online sehr viel mehr Rezis zu einem Produkt lesen kann, wenn auch teilweise von Amateuren. Der Bunkverlag schreibt: „Musikjournalismus muss neue Wege gehen, deshalb: diskutieren statt dozieren.“ Und das wird hier prima umgesetzt: Drei uMag-Redakteure und ein Musiker machen sich gemeinsam über neue Platten her und schreiben ihre durchaus kontroversen Meinungen dazu gesprächsartig auf (Katharina: „Ich finde zwar deinen Ansatz falsch, Carsten, stimme aber mit dir überein, das das Album doof ist.“)

Die Twitter-Geschichte dagegen ist – mit Verlaub – schrott. Viel zu oberflächlich, kein Fokus, ich versteh gar nicht, was eigentlich Thema der Geschichte sein sollte? Ich finde, der Beitrag ist weder eine „Bestandsaufnahme“, noch sind die kleinen Interviews „Widerworte“. Das Ganze sieht arg nach „Wir brauchen noch IRGENDwas mit Internet im Magazin“ kurz vor Redaktionsschluss aus. Schade, denn davon fühle ich mich als Onlinerin eher veräppelt als angesprochen. Hier hätte die Redaktion richtig Eindruck schinden können mit ihrer Online-Kompetenz. Hätte… können.

Ansonsten wird viel Wert auf eine Verknüpfung zwischen Print und Online gelegt. Die Redaktionsmitglieder sind alle per E-Mail zu erreichen (endlich sieht man das mal im Impressum!), einige Geschichten, wie die über die Blood Red Shoes, werden multimedial ergänzt durch Videos vom Shooting und weitere Fotos auf der Website. Auf Seite 34 wird ein Interview samt Mini-Konzert mit Sterne-Sänger Frank Spilker sogar nur mit einem Foto und kurzem Text angeteasert – zu sehen gibt es das NUR online. Endlich zeigt mal eine Printredaktion Mut zum Experiment. Einzig den allgemeinen Link zur Website anstelle eines Direktlinks halte ich nicht für sehr nutzerfreundlich. Und über eine Kommentarfunktion könnte man vielleicht mal nachdenken, zumal die Einbindung der Leser explizit als Ziel des Magazins formuliert wird.

FAZIT

Das neue uMag ist viel besser als das alte. Weil es sich vom Rest des Marktes abhebt, weil es – ganz im Gegensatz zur alten Version – einen eigensinnigen Charakter hat, weil es sich toll anfühlt und das „Hippe“ und „Stylische“ jetzt optisch rüber kommen. Am Kopf des Titels könnte und sollte man meiner Meinung nach noch arbeiten, ebenso an den „Checkbriefen“, den Seitenzahlen und den Ressortnamen. Alle Geschichten sind unterhaltsam und können „zwischendurch“ konsumiert werden. Auch aus journalistischer Sicht spannend und lobenswert finde ich die Verknüpfung von Print und Online. Was ich vermisse ist vor allem Tiefe. Weil Tiefe das ist, was ich persönlich von Print erwarte. Das Konzept des uMag widerspricht dem grundlegend. In so kompakten Beiträgen kann man nicht in die Tiefe gehen, das liegt in der Natur der Sache. Wer also „lässig“ und „szenig“ ist, sich für Alternativkultur interessiert und für kompakte Lese-Häppchen 3,30 Euro zu bezahlen bereit ist, kann hier eine durchaus ansprechende neue Lese-Heimat finden. Die neueste (hier nicht berücksichtigte) Ausgabe liegt bereits seit 15. März in der Auslage.

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→ Im neuen uMag probeblättern sowie ein Video zum Relaunch ansehen kann man hier.

→ Wer lesen möchte, was andere Blogger über das uMag danken, wird hier fündig. Der Mediendienst DWDL meint, der Relaunch habe die „Zeitschrift ruiniert“ und hält das Ergebnis für „absolut erschütternd“. Bei Meedia (ebenfalls ein Mediendienst) ist man der Meinung, das neue uMag käme „im wahrsten Sinne des Wortes blass daher“ und kritisiert vor allem, dass der Relaunch durch eine Werbeagentur durchgeführt wurde.

→ Im DWDL-Interview äußert sich Verleger Uwe Bunk zur Kritik am Relaunch.

Vom Tod und einer Bücherdiebin

31 Jan

Ich hab mal wieder ein ganz tolles Buch entdeckt: „Die Bücherdiebin“ von Markus Zusak. Der Roman und Spiegel-Bestseller handelt von Liesel Meminger, einer jungen Bücherdiebin mitten im Deutschland des Zweiten Weltkrieges. Das kleine Mädchen fängt an zu stehlen und gleicht damit so manchen erlittenen persönlichen Verlust aus. Sie stiehlt Bücher. Auf der Buchrückseite steht: „Dann stiehlt sie weitere Bücher. Äpfel und Kartoffeln. Das Herz von Rudi. Das von Hans und Rosa Hubermann. Das von Max. Und das des Todes. Denn selbst der Tod hat ein Herz.“ Es klingt etwas merkwürdig: Aber genau deshalb wird Liesels Geschichte vom Tod höchstselbst erzählt. Auf den zweiten Blick scheint mir das logisch: Es war wohl niemand anwesender im Deutschland der Nazis als der Tod.

Wer in mein Bücher-Archiv guckt, wird sehen, dass ich bis auf (vor einem wahren Hintergrund stattfindende) Mittelalter-Romane so gut wie nie Romane lese. Ich mag die Realität und finde wahre Geschichten spannend genug, als dass ich mich in ausgedachte flüchten müsste. Ab und an mache ich aber eine Ausnahme. Und in diesem Fall hat es sich gelohnt. „Die Bücherdiebin“ ist ein sehr ungewöhnliches, unvergleichliches, dennoch großartiges Buch. Die ersten Seiten fordern eine gewisse Umgewöhnung im Lesefluss, direkt merkt man, dass dies kein Buch wie alle anderen ist. Wer sich drauf einlässt, wird belohnt. Es „menschelt“ trotz der Allgegenwärtigkeit des Todes mit einer Wärme, die mich angerührt hat. Der sympathisch erzählende Tod bewegt nicht nur das Herz, er lässt einen trotz der Thematik durchaus auch lachen und erzählt aus dem Leben von Liesel mit einer Wort- und Bildwahl, die ich so noch nirgends gefunden habe.

Das Buch hat im einschlägigen Online-Shop hunderte, sehr positive Bewertungen bekommen – zu recht. Auch von mir gibt’s fünf Sterne. Trotz einem Ende, bei dem ich mir die Augen aus dem Kopf geheult hab.  Markus Zusak ist erstaunlich jung – Jahrgang 1975 – und lebt in Sydney. Bisher hat er äußerst erfolgreich Kinder- und Jugendbücher geschrieben. „Die Bücherdiebin“ ist sein erster Roman für Erwachsene. Sollten weitere folgen, habe ich vielleicht schon meine nächste Autoren-Entdeckung gemacht.

→ Weitere Meinungen zum Buch:

„Es ist ein Gänsehaut-Buch“ – Besprechung auf WDR 2 von Christine Westermann, inklusive Audio-Beitrag (3:23 Min.)

„Der Tod als Erzähler“ – Rezension bei Deutschlandradio Kultur

Bei hr-Online stellt eine 15-Jährige das Hörbuch zur „Bücherdiebin“ vor

„Die Bücherdiebin“ – Buchtipp im Literaturblog

Mein Bücher-Archiv 2010 ist wieder auf aktuellem Stand.

Sucht

15 Jan

Dieses Kribbeln, wenn man abends im Bett feststellt, dass das aktuelle Buch ja in 100 Seiten schon zu Ende ist und man noch gar keinen Nachfolger hat. Diese Dringlichkeit, die sich daraus ergibt. Nicht vorstellbar, ohne Buch dazuliegen. Dabei häuft sich überall in der Wohnung weiteres, zu lesendes Papier an. Diese Beruhigung, die davon ausgeht, wenn im Regal schon neue Bücher liegen. Die Befriedigung, dass man nicht ohne Kopf- und Herznahrung ausharren muss. Und dieser Entzug, wenn sich dort nur bereits Gelesenes stapelt. Dieses gespannte Warten auf die neue Lieferung. Wie gerne würde ich stundenlang in einer Buchhandlung stöbern, versinken in Geschichten und Wissen und alles drumherum vergessen. Wie sinnbefreit der Einkauf über das Internet ist. Wie egal das trotzdem ist. Weil ein Junkie Nachschub braucht, so schnell wie möglich. Weil der Hunger nach Neuem niemals gestillt sein wird. Und dann dieses Kribbeln, wenn der Postmann klingelt und man das Paket entgegen nimmt, das Papier fühlt, die Geschichten schon riecht und das einzige Ziel ist, endlich mit dem Papier in der Hand im Bett zu liegen…

Mein „Wort-Schatz“ des Jahres 2009

28 Dez

„Ich gehe nicht über Leichen, aber über Leichtverletzte, das schon.“ Einige seiner Reise- und Erfahrungsbücher fangen mit Warnungen wie dieser an. „Das wird ein seltsames Vorwort. Hier will der Autor dem Leser vom Buch abraten. Sagen wir, dem „falschen“ Leser. Das wäre im vorliegenden Fall der moralisch einwandfreie Zeitgenosse, der zartnervige, der genitalzonenfreie, der von aller kriminellen Energie gelöste, eben jener, der gern zum „guten Buch“ greift. Hier greift er daneben“, schreibt Andreas Altmann beispielsweise in „Getrieben – Stories aus der weiten wilden Welt“.  Auch „Im Land der Regenbogenschlange – Unterwegs in Australien“ wurde nicht geschrieben „für die Tranigen, die Luxusgeschöpfe, die Glotzer, die Virtuellen, die Langschläfer und alle anderen, die sich vorgenommen haben, der Welt und der Wirklichkeit aus dem Weg zu gehen. Sie werden sich hüten, es aufzuschlagen. Jeder Absatz würde sie daran erinnern, wie sterbensfad sie sich inzwischen in ihrem Alltag, ihrer Allnacht eingenistet haben. Dösend. Nie plagt sie erhöhte Temperatur. Die Lauwarmen sind immer lau.“

Altmann hat Recht: Der Leser wird zum Leichtverletzten. Jedenfalls der Leser, der sich öffnet. Der Rest wird seine Bücher wutentbrannt und angeekelt in die Ecke werfen. Altmann provoziert, eckt an, schockiert und polarisiert. Ich kann mir tausend Stimmen vorstellen, die seine Bücher verfluchen. Auch ich habe zu Altmanns Büchern eine extreme Meinung: Ich verschlinge sie, ich sauge sie auf, ich kann nicht aufhören zu lesen und zu erleben und ich war noch nie so beeindruckt von Geschichten. Und von einer Schreibe. Kein Wort ist überflüssig, kein Wort ohne Bedacht gewählt und doch triefen die Bücher vor Leidenschaft. Ich bin beeindruckt von diesem Schreiberling, für den Reisen und Schreiben Erfüllung bedeuten, wie ich sie bisher bei beiden Tätigkeiten nur erahne. Von einem Menschen, der ungekannt offen auf andere Menschen zugeht, auf Politiker, Staatschefs, korrupte Polizisten, Aidskranke, andere Reisende, Einheimische, Huren, Drogendealer, Junkies, Bettler und Krüppel – und der sich selbst dem Leser schonungslos ehrlich öffnet wie kein anderer. All das, was durchschnittliche Reiseautoren sich entweder nicht trauen zu erleben (weil es die Grenzen im Kopf nicht zulassen) oder sich nicht trauen niederzuschreiben (weil der „Ohrensessel-Reisende“ angeblich, so habe ich es selbst oft in journalistischer Fachliteratur gelesen, totlangweilige Geschichten von Postkartenidylle und Paradiesstränden lesen will) schreibt Altmann mit einer einzigartigen Leidenschaft auf. Und das tut nicht selten weh, strengt immer an, hinterlässt bleibende Spuren. Altmann macht Mut und öffnet Augen. Dem, der dies zulässt.

Fünf Bücher habe ich dieses Jahr von Andreas Altmann gelesen. Und bin in keiner Weise gesättigt. Wie schön, dass ich noch lange nicht durch bin, dass es noch so viel mehr Geschichten gibt. Ich freue mich auf jedes Wort.

Was ich außer Altmanns Büchern sonst noch gelesen habe in diesem Jahr, steht im nun vervollständigten Bücher-Archiv.

Weiterführende Links:

Homepage von Andreas Altmann (seine Bücher, sein bewegtes Leben in Stichpunkten, Fotos, Leseproben, Kritiken, Preise)

Der Reisereporter, der uns das Staunen lehrt – Porträt von Andreas Altmann im Hingesehen-Blog

Andreas Altmann: Schreibender Weltenbummler – Talk vom 18.11.2008 auf Bayern 2 (ARD Mediathek, 44 Minuten)