Vom Dreck unter der Oberfläche – Wie war das nochmal mit 17?

12 Mär

Hallo Mama und Papa. Falls ihr das hier lesen wollt, setzt euch lieber erstmal hin… 😀

Zurückhaltend soll er gewesen sein. Introvertiert. Und er hat Ballerspiele gespielt. Dass dann heute überall ein Chat-Protokoll gezeigt und zitiert wurde, in dem der Amokläufer von Winnenden angeblich einen Tag vor der Tat eben diese ankündigt, hat eigentlich auch niemanden mehr gewundert. Nun, heute Abend stellt sich auf einmal heraus, dass es diesen Chat wohl doch nie gegeben hat, das Protokoll gefälscht wurde. Schade, ein Klischee weniger… Vielleicht stellt sich ja morgen noch raus, dass 99 Prozent der Gleichaltrigen Ballerspiele spielen, viel Zeit vor dem PC und im Internet verbringen und nicht Amok laufen… DAS wäre doch mal eine Nachricht.

Ich war auch mal 17 Jahre jung. Und ich erinnere mich noch recht gut daran. Das war eine sehr aufreibende, verwirrende und chaotische Zeit. Geprägt von innerer Unsicherheit, einem enormen Selbstfindungstrieb, Revoluzzertum und einer pubertären Anti-Einstellung. Wie das eben so ist mit 17, in einer spießigen und konservativen Kleinstadt. Ich war übrigens schon als Kind auffällig introvertiert und zurückhaltend. Meine Klassenlehrerin meinte am Ende des vierten Schuljahres, ich sei zu schüchtern fürs Gymnasium, würde mich dort nicht durchsetzen können. Ich weiß noch, dass ich, wenn ich draußen rumgelaufen bin, immer auf den Boden geguckt habe. Ich war zu schüchtern um der Welt in die Augen zu blicken und hatte absolut kein Selbstbewusstsein. Bis heute spreche ich zu leise und fühle mich fast nirgends unwohler als im Mittelpunkt… Aber ich hab mein Abi trotzdem gemacht.

Ballerspiele habe ich nicht gespielt. Die gab’s damals nicht (Scheinbar doch :D). Ich glaube, das brutalste, was mein Bruder und ich auf dem Commodore 64 gezockt haben, war ein Spiel, in dem eine pixelige Katze ebenso pixelige Mäuse durchs Labyrinth gejagt hat. Wir hatten keine Handys mit demütigenden Videos drauf, es gab kein Internet mit all den verlockenden Inhalten. Hätten wir Ballerspiele und Co. gehabt – oh ja, wir hätten uns reingestürzt und die ganze Welt abgeballert!

Statt dessen haben wir mit unserer Clique jeden Abend auf dem Schulhof rumgehangen. Immer beobachtet von schreienden, schimpfenden und die Polizei rufenden Nachbarn, die sich all die Jahre nicht ein einziges Mal vernünftig mit uns unterhalten haben. Eines Tages stand in der Zeitung (!), unsere Clique würde auf dem Schulhof der Grundschule (auf die die meisten von uns selbst gegangen waren) gebrauchte Spritzen hinterlassen. Unsere Eltern waren begeistert. Wir haben Alkohol getrunken. Viele haben gekifft. Zu viele. Manche haben noch andere Dinge ausprobiert. Wir haben Dreck produziert, obwohl es Mülleimer gab. Wir waren laut. Aber Spritzen haben wir ganz sicher nicht hinterlassen. Unsere Version der Geschichte wollte aber niemand hören. Ich bin mit ein paar Leuten selbst in die Redaktion, um das richtig zu stellen. Der folgende Bericht war ein Witz, getränkt von Zweifeln an unserer Version.

Wenn wir feiern gegangen sind, haben wir uns komatös gesoffen. Ich habe mal eine Nacht vermutlich mit einer Alkoholvergiftung auf einem Zeltplatz gelegen. Im Dreck, sabbernd, gefühlsmäßig schon halb tot. Ich hatte roten Schnaps, Korn und allerlei weiteres Zeug intus. Als die Polizei kam, haben mich meine Freunde aufgesetzt und in die Mitte genommen und für mich geantwortet. Die Beamten sind einfach gegangen. Einmal hatten ein paar Freundinnen ihren Eltern gesagt, sie würden bei mir übernachten. Sie waren statt dessen zelten, mit Jungs. Als eine Mutter bei mir anrief, wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Stundenlang haben sich alle Eltern gesorgt. Irgendwann hab ich gesagt, wo sie sind. Es gab einen riesen Ärger.

Wenn ich mich am Wochenende nicht betrunken auf Parties rumgetrieben oder auf dem Schulhof abgehangen hab, bin ich ab 18 mit meinem Auto durch die Stadt gefahren. Bürgersteige hochgeklappt, keine Möglichkeit für uns, uns irgendwo willkommen zu fühlen. Es gab keine Alternative, wir alle sind sinnlos mit dem Auto rumgegurkt, sobald wir den Führerschein hatten. Das Jugendzentrum war eine ekelhafte Bruchbude. Man konnte ihm ansehen, wie wichtig es der Stadt war, sich um die jungen Leute zu kümmern. Keiner von uns wollte da gerne hin.

Ich bin gerne hunderte von Metern auf der linken Fahrspur gefahren, wollte immer mal eine Runde rückwärts um die Innenstadt fahren. Ich hab mal hinten in einem Mercedes gesessen, dessen Fahrer gekifft hatte und mit dem dicken Auto um ein Haar in einen Brückenpfeiler auf einer Autobahnauffahrt gefahren wäre. Ich kannte Leute, die gedealt haben, Leute, die vor lauter Drogenkonsum im Auto Steine gesammelt haben  und wusste genau, welches Lied laufen soll, wenn ich mir mal etwas antun würde. Ich hab einmal geklaut, hab Mercedes-Sterne abgebrochen, mit Edding Bushaltestellen voll gemalt und Silvester im Asyl-Heim verbracht, wo die geklauten Handys unter den Deckenplatten versteckt waren. Und wenn ich das aus heutiger Sicht betrachte, war mein damaliger Freund vermutlich Alkoholiker.

Trotzdem: Ich war denke ich eine durchschnittliche Jugendliche.

Dabei habe ich auch Dinge erlebt, die ich hier nicht aufschreibe. Dinge, von denen keiner etwas gemerkt hat – obwohl sie mein Leben beeinflusst und mich über lange Zeit beschäftigt haben. Und obwohl sie nicht in Kindheit und Jugend gehören. Überhaupt nicht Teil des Lebens sein sollten.

Schon damals – in Zeiten ohne Internet, Handys und Ballerspiele – hat niemand gemerkt, was wir wirklich tun, was uns wirklich bedrückt, wie ausgeschlossen wir uns gefühlt haben, wie sehr uns die Gesellschaft ins Gesicht gespuckt hat, dass sie mit uns nicht viel anfangen kann. Wir alle hatten damals einen starken Trieb, der sich manchmal in Aggressivität geäußert hat. Und obwohl wir uns ausgeschlossen fühlten und es gewissermaßen auch waren, wurden die meisten von uns in letzter Konsequenz immer aufgefangen, unterstützt, behütet. Genau deshalb waren wir trotz allem durchschnittliche Jugendliche. Und genau deshalb sind wir heute vermutlich alle ganz normale Menschen.

Es geht nicht um Ballerspiele. Nicht um alkoholdurchtränkte Parties. Nicht um das Austesten von Grenzen. Sondern um fehlende Stützen und Grenzen. Darum, dass eine Gesellschaft scheinheilig Gutbürgertum predigt und gleichzeitig all ihre dreckigen Gesichter zeigt. Nicht in Form von kriminellen, alkoholisierten, vollgepumpten oder pöbelnden Jugendlichen. In Form von geldgierigen alten Säcken, die ungeschoren davon kommen, in Form von praktizierter Ausbeutung und Vorführung im Fernsehen, in Form von Desinteresse für andere Menschen, in Form von vorgelebter Unzufriedenheit mit allem, in Form von unmenschlichem Leistungsdruck, Oberflächlichkeit, Falschheit und Doppelmoral. Das ist unglaubwürdig. Das macht orientierungslos. Noch orientierungsloser als man ohnehin schon ist in diesem Alter. Wo Grenzerfahrungen sammeln, wenn die Grenzen verschwimmen? Wenn sich Medien darüber echauffieren, dass der Amokläufer im Internet als Held zelebriert wird, wenn sie selbst gestern vor allem bei Twitter sich und ihre Klick-Geilheit bis zur Perversion gefeiert haben, anstatt an die Opfer zu denken? Wie Werte finden, wenn überall, wo an der glänzenden Oberfläche gekratzt wird, Dreck hervorkommt?

Es geht um Zuhören und Hingucken. Um Verantwortung.

35 Antworten to “Vom Dreck unter der Oberfläche – Wie war das nochmal mit 17?”

  1. kblog Donnerstag, März 12, 2009 um 23:20 #

    Auch wenn ich während den 80-ern Ballergames auf dem C64 (doch, die gab es!) und sogar das in Deutschland (bin Schweizer) gelistete, d.h. verbotene „Wolfenstein 3-D“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfenstein_3D) oft gespielt habe: Ich bin nie Amok gelaufen, ich habe auch nie ein Messer gezückt und nicht mal eine richtige Waffe, mal vom Jahrmarktsschiessen abgesehen, in der Hand gehalten.

    Ich schliesse mich Dir an: An den Ballerspielen liegt es mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht.

    Aber es stellt sich durchaus die Frage, wie es zu den Amokläufen kommt. So weit ich mich erinnere, hatten wir unsererzeit jedenfalls keine Amokläufen unter den Jugendlichen. Wie kommt es? Ich weiss es nicht.

  2. Muschelschubserin Donnerstag, März 12, 2009 um 23:30 #

    Es wird sich um einen ganzen Komplex von Ursachen handeln, denke ich. Da kommen vielleicht auch gewaltverherrlichende Ballerspiele und Medien drin vor, irgendwo ganz unten auf der Liste. Irgendwo darüber stehen Menschen (Familien, Lehrer, Stadtplaner, Politiker, Erzieher, Betreuer, Freunde), die nicht verhindern, dass diese negativen Dinge allzu sehr in den Vordergrund rücken. Weil sie nicht zuhören, hingucken, sich nicht verantwortlich fühlen, andere Probleme haben, überfordert sind, Dinge falsch einschätzen…

    Die Frage ist: Was dagegen tun? Wie die Jugendlichen erreichen? WIE genau Werte vermitteln, wenn Familien immer mehr auseinander brechen? Gar nicht mal nur im Sinne von Trennung und Scheidung, sondern weil Frauen auch arbeiten, weil immer mehr gearbeitet wird, weil Medienkonsum still stellt und in sämtlichen Wohnzimmern unreflektiert stattfindet, weil Lehrkräfte oft ungeeignet und überfordert sind, weil sich einmischen uncool ist… Wie die Unpersönlichkeit, die zB das Internet auslöst, ausgleichen? Wie wieder Nähe herstellen?

    Es geht auch um Respekt. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger dazustehen und zu predigen. Sondern zu verstehen, sich einzufühlen, auf gleicher Augenhöhe zu sein. Um Kommunikation. Mit den Jugendlichen und mit allen Beteiligten Fachkräften. Um Netzwerke.

    Ich weiß auch nicht, wie das machbar ist. Rege mich schon mit 31 manchmal über giggelnde Girlies auf, obwohl ich damals mit am lautesten und extremsten gegiggelt habe…

    Vermutlich wüsste ich mehr Beispiele, wo man nicht ansetzen sollte, als Maßnahmen, die wirklich helfen können.

  3. fenjala222 Freitag, März 13, 2009 um 00:12 #

    Liebe Autorin,
    du hast eine extrem gute Schreibe und gute Gedanken / Anregungen zu diesem furchtbaren Thema!
    Du solltest deinen Text Zeitungen anbieten. Ich würde ihn sofort – ohne Korrekturen – veröffentlichen!
    Ich hoffe, du versuchst es!
    Es bleibt sonst nur schweigendes Entsetzen.
    Fen.

  4. kblog Freitag, März 13, 2009 um 00:17 #

    Auch da stimme ich Dir zu: es wird kaum eine einzelne Ursache geben, quasi nach der Formel „actio est reactio“, so dass man einfach sinnbildlich Gift mit Gegengift behandeln könnte.

    Und doch frage ich mich: Anfangs des Jahrhunderts und auch früher noch gab es in den meisten (!) Familien keine klassische Rollenteilung in dem Sinne, dass jemand „nur“ zu Hause arbeitete, sondern beide Elternteile arbeiteten auf dem Feld. Scheidung war verpönt; man heiratete früher und so weiter. Auch Lehrer waren damals garantiert nicht besser, sicher aber gewaltbereiter – es war ihnen ja noch erlaubt – als heute.

    Natürlich, wenn die Medien das auf ein Schema, auf eine actio-est-reactio-Formel pressen wollen, dann wollen sie vor allem eines: Ein Thema aufgreifen, das selbst unter Wissenschaftler umstritten ist und auf einen winzigen Punkt zu bringen, auch wenn die Vereinfachung eine Absurdität in sich darstellt. Keiner der genannten debattierenden Wissenschaftler wird behaupten, nur solche Ballergames oder von mir aus auch die Kino- und TV-Filme seien schuld. Erinnern wir daran, dass unsererzeit noch behauptet wurde, dass solche Filme gewaltbereit machen würden. Ich wage zwar nicht zu behaupten, das Potential werde nicht abgebaut, aber der Schluss daraus, einzig und allein das sei die Ursache, greift schlicht zu kurz.

    Ich schliesse Deiner Meinung auch deswegen an, weil ich noch einen Schritt weitergehe: Ich behaupte, jedes Kulturgut, sei darin noch so viel Gewalt zu finden, kann mit den Jugendlichen im richtigen Zeitpunkt, d.h. in der entsprechenden koginitiven Reife so besprochen werden, dass man damit auch einen Gewinn davon erzielen kann. Anders ausgedrückt: Es kommt immer auf den Umgang mit dem Subjekt und Objekt an, aber das Subjekt muss gerade in der pubertären unsicherheit entsprechend darüber aufgeklärt werden.

    Am Rande: Ich habe mich nie besoffen oder habe sonstwelche pubertären Schabernack getrieben wie Du, aber ich galt dafür als Nerd, war ein Aussenseiter, der sich für Astronomie und für andere für Erwachsene so abstruse Dinge wie Astrophysik und Relativitätstheorie interessiert hat. Ob das dann für mich tatsächlich besser war als wenn ich Deine Erfahrungen gemacht hätte, das weiss ich nicht, denn auch so machte ich vieles durch, das ich lieber nicht gemacht hätte.

    Hm, wenn wir weiterdiskutieren wollen, sollten wir die Diskussion vielleicht auf Email verlegen?

  5. Malte Freitag, März 13, 2009 um 01:43 #

    Interessanter Beitrag und sehr gut geschrieben, man findet sich in, teilweise, wieder!

    Gruß
    Malte!

  6. derblogdanach Freitag, März 13, 2009 um 03:30 #

    hallo,

    ich lese deinen blog schon ein paar wochen und bin heute ueber diesen eintrag gestolpert. da dein eintrag in die gleiche richtung wie meiner ging, jedoch das ganze von einem deutlich anderen blickwinkel betrachte, habe ich dich am ende meines eintrages verlinkt. wenn du dieses nicht moechtest, lass es mich wissen.

    gruesse,
    daniel

  7. Babs Freitag, März 13, 2009 um 06:34 #

    Wenn ich was beisteuern darf:

    Eine aktuelle Studie der Technischen Universität Darmstadt zu Amokläufen und schweren Gewalttaten an Schulen kommt zu dem Ergebnis, dass „in allen Fällen deutliche Risikomerkmale im Verhalten und in der Kommunikation der Täter im Vorfeld der Tat identifiziert werden konnten“, so Dr. Jens Hoffmann, der Leiter der Studie.
    „Als Risikoindikatoren fanden wir in der Mehrzahl etwa Suizid-Äußerungen, oder die Jugendlichen erstellten Todeslisten“, erläutert Hoffmann. „Alle Täter kündigten an, eine Waffe mit in die Schule zu bringen oder zeigten diese vorher sogar anderen Schülern. Ebenso sprachen nahezu alle Jugendlichen über ihre Racheabsicht oder gaben sogar bekannt, einen Amoklauf begehen zu wollen.“

    Bei allen Tätern waren im Vorfeld der Gewalttat Kränkungen, soziale Brüche oder Verlusterfahrungen zu verzeichnen. Fast alle Jugendlichen reagierten sehr empfindlich auf diese Erfahrungen. Zudem waren in allen Fällen schulische Konflikte erkennbar. Etwas mehr als die Hälfte der jugendlichen Täter wurde von ihrem Umfeld als Einzelgänger wahrgenommen. Im Vorfeld der Tat isolierte sich die Mehrzahl der Täter zunehmend. Dennoch wiesen die meisten Jugendlichen Freizeitinteressen auf und waren beispielsweise in Vereinen. Nur etwas mehr als ein Viertel der Jugendlichen war vorher polizeilich auffällig gewesen.

    Die Täter waren zwischen 14 und 22 Jahre alt. Alle waren männlich und hatten die deutsche Staatsbürgerschaft. Alle bis auf einen lebten im Elternhaus, die Familien entstammten weitgehend der Mittelschicht.

    Alle Täter zeigten Interesse an gewalthaltigen Mediendarstellungen. Bei vier von ihnen konnte sogar eindeutig ein konkretes mediales Vorbild für ihre Tat bestimmt werden, entweder eine Filmfigur oder ein realer Amokläufer. Bei vier der Täter konnte ein übermäßig starkes Interesse an Videospielen festgestellt werden, beispielsweise indem große Teile der Freizeit mit solchen Spielen verbracht wurden.

    Die Studie wurde von Dr. Jens Hoffmann und Karoline Roshdi von der Arbeitsstelle für Forensische Psychologie der TU Darmstadt in Zusammenarbeit mit Dr. Frank Ropertz vom Institut für Gewaltprävention und angewandte Kriminologie Berlin durchgeführt, veröffentlicht wird sie in der Aprilausgabe der Zeitschrift „Kriminalistik“.

    Bei vier der Fälle war kurz vor der Tat eine ähnliche Gewalttat in den Medien publiziert worden. „Es ist deshalb davon auszugehen, dass nach
    Amokläufen wie in Winnenden ein erhöhtes Risiko für weitere Taten dieser Art besteht“, so Jens Hoffmann.
    Quelle: idw, 12.3.09

    …was ich damit sagen will: es gibt nicht nur Rahmenbedingungen, in denen die Täter aufwachsen, sondern auch bestimmte inner-psychische merkmale.

  8. daniel Freitag, März 13, 2009 um 10:42 #

    da gibt man keine email an und der ganze über ne halbe stunde zusammengeschriebe text ist futsch!!! nicht zu fassen!

    also nochmal:

    auch ich habe die zeiten auf dem schulhof mitgemacht. aber ich habe nie solche grenzerfahrungen wie du dort erlebt. ich war auch er der extrovertierte typ, der nicht alles mitmachen musste. aber diese zeit war dennoch prägend. aber ich hatte andere wege mich durchzusetzen. dieses lernte ich schon seit der grundschule, da ich immer der körperlich unterlegenste war. ich komme aus einem sehr schwierigen elternhaus. meine mutter 2 mal geschieden; mein damaliger stiefvater schwerstalkoholiker; die wochenenden waren die hölle. man kann also nicht von einem wirklich guten elternhaus sprechen. auch mein soziales umfeld war sicher nicht das allerbeste. ich war, ebenso wie du, überfordert. gefühle, hormone, ja auch mal den einen oder anderen selbstmordgedanken, keiner der mich verstand… und: auch ich habe killerspiele gespielt (doom). stundenlang.
    aber eines ist mir nie in den sinn gekommen: jemanden zu töten, amok zu laufen.
    nach so einer tat wird wieder analysiert, was denn schief gegangen ist in seinem leben. leider berichten die medien lieber viel und nicht fundierte dinge. hauptsache erstmal schneller als die konkurenz. man kann’s ja wiederrufen. sehr fragwürdig. die bevökerung möchte nicht lesen, dass eventuell die frühkindheitliche erziehung schief gegangen ist. oder das soziale umfeld nicht ausreichend aufgepasst hat. lieber verallgemeinert man die diskusion: killerspiele; eltern, die zu viel arbeiten; schnelle gesellschaft; leistungsdruck.
    und das ist meiner meinung nach genau der fehler. amok laufen ist kein „massenphänomen“. sondern es handelt sich um individuelle einzelschicksale. bei diesen individuen sind viele dinge schief gelaufen, und sicherlich ist die hauptschuld in der gesellschaft und der perspektivlosikeit zu suchen.
    und natürlich im elternhaus.

    was man dagegen tun kann? ich weiß es nicht, wäre aber für anregungen sehr dankbar.
    ich hoffe, dass die diskusion hier noch ein wenig weiter geführt wird.

  9. Muschelschubserin Freitag, März 13, 2009 um 11:01 #

    @fenjala222
    Vielen Dank für das Kompliment. 🙂 Es findet durchaus auch in den Medien eine etwas kritischere Reflexion statt, auch was das Verhalten der Medien selbst am Tag des Amoklaufes angeht (da kam gestern eine Menge zu, zumindest online). Gerade noch bei der FTD online einen Leitartikel gelesen, in dem angeprangert wird, dass all die inhaltsleeren Diskussionen jetzt im Prinzip nur Trost spenden und signalisieren, dass man nicht schweigen will, mehr aber auch nicht. Das Schwierige ist, konkret zu werden. Und das ist auch mir nicht gelungen.

    @kblog
    Von mir aus geht das auch hier. 🙂 Ich stimme dir zu, vor allem, was den Punkt UMGANG mit den Dingen angeht, die negative Auswirkungen haben KÖNNEN. Es geht nicht ums Verbieten, sondern darum, den richtigen Umgang zu vermitteln. Miteinander, mit Konflikten, mit Außenseitern, mit fremden Ansichten, mit Leistungs- und Gruppendruck und – last but not least – mit Medien aller Art. Das gehört dringend in den Unterricht integriert. Ich glaube, das findet nur sehr unzureichend statt, weil wir nämlich selbst auch größtenteils nicht besonders verantwortungsvoll Medien konsumieren…

    @Malte
    Danke sehr, auch für die Verlinkung. 🙂 Ich liebe den Blog-Layout, das ist mir letzte Tage schonmal aufgefallen. Auch das Konzept ist sehr interessant! Ist abonniert.

    @derblogdanach
    Natürlich habe ich nichts dagegen! Ich finde es gut, dass du die einzelnen Punkte, die jetzt diskutiert werden, konkret ansprichst! Wie gesagt, das konkret diskutieren halte ich für das schwierige. Konkrete Lösungsansätze zu finden, anstatt am Thema vorbei zu reden, das wäre was.

    @Babs
    Ja, das ist ja genau das, was ich schreibe. Es geht um einen Komplex aus Problemen. Das sind charakterliche bzw persönlichkeitsbezogene Dinge wie äußere Einflüsse unterschiedlichster Art. Es heißt nicht umsonst, alle Täter seien eher introvertiert gewesen, unauffällig. Womöglich gibt es in den Familien Probleme beim Thema Konfliktlösung, keinen offenen Umgang damit. Es fehlen Möglichkeiten, Frust abzubauen. Dazu kommt Mobbing, Isolation, und so weiter. Nur: Wenn man diese Faktoren einigermaßen genau benennen kann (was ja der Fall zu sein scheint) – dann müsste man doch auch genau dort präventiv ansetzen können. Aber: Erstens gibt es sehr viele Beteiligte, was immer zu einer Verstreuung von Verantwortung führt und meist passiert dann gar nix und zweitens steht auch die Frage im Raum, ob man sowas überhaupt wirklich verhindern kann.

    Ich frage mich, ob irgendjemand damals gemerkt hätte, wenn ich so etwas geplant hätte. Ehrlich gesagt: Ich glaube kaum.

  10. Muschelschubserin Freitag, März 13, 2009 um 11:08 #

    @daniel (zu spät gesehen)
    Ich bin heute noch dankbar für die Schulhof-Zeit. Dadurch habe ich Einblicke in viele Bereiche bekommen, auch in viele Randgruppen, die mir heute einiges verständlicher machen. Mit Gruppendruck hatte das bei mir wenig zu tun. Dafür war ich zu sehr Einzelgängerin innerhalb der Gruppe, gehörte zB zu keinem der beiden Lager (du weißt schon) und war die meiste Zeit die einzige „Zecke“ in der Gruppe, ging als einzige auf meine Schule, hatte einen Freund, der (vorher) nicht zur Gruppe gehörte etc.. 😀 Aber du hast Recht in dem Punkt, dass es auch viel mit Selbstbewusstsein zu tun hat.

    Was ich noch sagen wollte: Ich hab jetzt schon öfter sowas gelesen wie dass dem Täter nicht zu viel Macht über die Tat hinaus gegeben werden sollte. Irgendwo stimmt das, denn es geht wie immer zu wenig um die Opfer. Aber: Ihn zu verteufeln und jetzt als Verrückten darzustellen wird nur eins bewirken, nämlich dass wir uns alle sicher sind, dass UNS das niemals passieren könnte, weil WIR ja alle normal sind – im Gegensatz zu ihm. Und das sehe ich wirklich komplett anders.

  11. Kugelfisch Freitag, März 13, 2009 um 11:32 #

    Hallöchen, Muschelschubserin,
    deinen Beitrag fand ich echt klasse! Und da ich mich wohl im gleichen Alter mit dir befinde, kann ich deinen Text fast 1:1 auf mich übertragen. Ich dachte echt beim Lesen, ich würde über mich schreiben. Bis auf ein paar Einzelheiten, wie Sterne vom Benz klauen… Aber, wir wussten und mussten uns früher soviel mit uns selbst beschäftigen und habe nicht alle Alles bekommen, dass wir auf solche Ideen gar nicht kamen. Heute wird einem alles vorgesetzt. Und wenn du nicht einen der neusten PCs oder Konsolen mit „diesem oder welchem gerade IN-Spielen“ besitzt, bist du ausgegrenzt (so uncool!). Das war früher anders. Da gabs das zwar ähnlich mit Klamotten, aber sobald die meisten wussten, dass nur Vatti bei Hoesch oder sonstwo arbeitet und Mutti den Haushalt schmeißt, war klar, dass man nicht gerade Vans, Nike oder ähnliches tragen konnte. Das war dann völlig OK. Hauptsache der Stil passte irgendwie. Und genau diese Werte gibt es nicht mehr. Heute beziehen sich die Werte nur noch über das „IN“-sein. Begonnen hats doch schon mit der Sparkassenwerbung…. Falls du dich erinnerst? – So uncool, nur nen Moped. Jeder hat doch jetzt ein Auto und ein Haus, wenn er die Jugend hinter sich hat. Haste es nicht, biste nichts!
    Natürlich gab es auch früher schon extrem schlimme Verbrechen, die wurden aber nicht durch die Presse in der Tagesschau rauf und runter übermittelt, sondern vielleicht max. 1x die Woche bei Akte XY in den 80/90ern! Und wenn man dann draußen war, um sich mit der Clique auf dem Schulhof zu treffen, hat man die Sendung halt verpasst. Es gab keine Wiederholung und so gingen diese NEWS an einem vorbei. Man musste sich darüber nicht profilieren. Das hat man lieber mit dem „bösen“ Kiffen und Saufen gemacht. Ach, ich vergaß! Früher gabs das ja nicht!! *Ironie aus* – Auf der anderen Seite wird auch von den so genannten „Vorbildern“, den Politikern und Managern suggeriert, dass man doch nur mit Erfolg und Kohle nach ganz oben gehört und der Rest ist „billig“ (um es mal so zu nennen…). Wenn ich dieses Denken von heute, in meinem Erwachsenenalter, schon mit 17 gehabt hätte…. Es scheint immer häufiger, dass die heute 17-jährigen schon soweit gedanklich sind, wie wir in unserem Alter heute; nur wissen sie nicht, wie sie das verpacken sollen… Tolle schöne Medienlandschaft

  12. hostmam Freitag, März 13, 2009 um 16:59 #

    Da habe ich nun alle Texte gelesen und frage mich die ganze Zeit: „Wieviel weiss ich eigentlich von dem, was in meinem Teenagerkind so vorgeht?“.

    Wie fast alle Teenager bemüht auch meine Tochter sich, ihre Eltern an ihren Aktivitäten nur partiell teilhaben zu lassen. Und wenn ich so zurückdenke, gibt es auch bei mir so ein paar Aktionen die ich bis heute meiner Mutter nicht „gebeichtet“ habe.
    Also bleibt mir nur zu versuchen den Kontakt zum Kind (?) nicht zu verlieren, die richtige Mischung aus Erwachsenwerdenlassen/Probierenlassen und Nähegeben/Grenzengeben zu finden und irgendwie einigermassen unbeschadet über die Zeit zu kommen. Das ist schwierig; das finde ich ungeheuer anstrengend (und die Tatsache dass ich erst bei 1 von 3 bin lässt mich schaudern) und diese Anstrengung aufzubringen fällt mir auch nicht immer leicht.
    Aber ich glaube, dass auch wir Erwachsenen es uns manchmal zu leicht machen – Kindererziehung endet eben nicht mit 12-14Jahren.
    Hat mein Kind die Gelegenheit sich mit mir/uns zu streiten so hoffe ich,dass alle Konflikte ausgetragen werden, bevor sie sich in unlösbare Grössen schrauben und „explosiv“ für sich oder andere gelöst werden.
    Allein – es bleibt eine Hoffnung….

    Noch eine Nachbemerkungen: auch ich habe NULL Verständnis für Menschen die Waffen zu Hause aufbewahren und würde mir von den Politikern hier mehr Konfliktbereitschaft an der richtigen Stelle wünschen.
    WAS um Himmels willen ist denn der Vorteil für die Gesellschaft wenn einzelne Menschen ihre Tötungswerkzeuge stets verfügbar in Reichweite haben??

  13. fressnet Freitag, März 13, 2009 um 22:09 #

    Weil trackback nicht funzt:

    Fernsehpreis-„Eklat“


    bezieht sich auch auf Deinen Artikel

  14. kblog Samstag, März 14, 2009 um 00:07 #

    Ein Online-Zeitungs-Artikel in der Schweiz (http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/kanton/Wie-die-Zuercher-Polizei-auf-einen-Amoklauf-reagieren-wuerde/story/10663785) der rennommierten schweizer Tageszeitung Tages-Anzeiger hat mich auf die Frage gebracht, warum ich mich an keinen jugendlichen Amoklauf in der Schweiz, Frankreich, Italien oder Österreich erinnern kann? Was ist in Deutschland anders als in der Schweiz?
    Gut, die Schweiz weist eine der höchsten Suizidraten Europas aus, und in der Schweiz muss jeder Armeeangehörige (und das sind ziemlich viele, weil ja eigentlich alle Armeetauglichen zur Armee müssten – ich selber bin untauglich) seine Waffe zu Hause mitsamt Munition aufbewahren. In der Regel ist das ein Sturmgewehr, ich glaube, nur die Sanität hat Pistolen.
    Es macht für mich keinen Sinn.

  15. Homer Samstag, März 14, 2009 um 04:17 #

    …interessante Meinungen die hier wiedergegeben werden.
    Ich fand diesen Artikel bei Spiegel online auch ziemlich lesenswert.

    http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,613181,00.html

    Ansonsten halt ich mich aus der ganzen Diskussion raus. Ich hoffe einfach, dass alle Familienangehörige – auch die von Tim K.- die Zeit und Ruhe bekommen, um zu trauern und um diese Tat verarbeiten zu können.

    Gruss H.

  16. Muschelschubserin Samstag, März 14, 2009 um 12:29 #

    @Kugelfisch
    Ich kann mich auch damals noch gut an Marken-Druck erinnern, allerdings noch früher, so im 6./7. Schuljahr. Da hatte man auch gefälligst best. Marken zu tragen, bestimmte Bands zu hören, ansonsten war man raus. Und was haben Teenager davon, wenn sie so Dinge wie PCs und Konsolen vorgesetzt bekommen? Ich finde das nicht besser als früher. Ob ich nu draußen irgendwo abhänge, wo mich keiner haben will, oder vorm Computer sitze, wo ich wenigstens niemanden störe… Es ist ein ausgegrenzt sein. Spaß kann man trotzdem mit beidem haben, Grenzen testen auch. Ich denke, es kommt auf diese Doppelmoral an. Wenn das eine gepredigt, und genau das Gegenteil vorgelebt wird. Teenager sind nicht so blöd, dass sie das nicht merken, wenn die Gesellschaft scheinheilig ist. Vielleicht durchschauen sie das eher als Erwachsene.

    Der von Coffee & TV verlinkte Text bei Spreeblick geht übrigens in eine ähnliche Richtung wie meiner. Ich stimme zu: Lesen!

    @hostmam
    Schön, dass du das geschrieben hast. Dich betrifft das ja noch viel direkter als die meisten anderen hier denke ich. Ich habe gestern ein längeres Telefongespräch mit meiner Mama geführt, die mich auf Grund dieses Beitrags angerufen hat. Meine Eltern waren erwartungsgemäß erstaunt. Wundern sich ebenfalls, wie viel sie nicht gewusst haben. Sie wissen, dass sie sich in dieser Hinsicht keine Vorwürfe machen brauchen (ich bin ja ein halbwegs anständiger Mensch geworden und außerdem ist das 15 Jahre her), aber sie staunen trotzdem.
    Ich frage mich, ob die Pubertät der Eltern nicht eigentlich ähnlich aufmüpfig und grenzwertig verlaufen ist – nur eben innerhalb völlig anderer Grenzen und mit weniger Extremen (aus heutiger Sicht). Das ist doch im Prinzip der Sinn und Zweck von Pubertät.
    Zu den Waffen: Dafür werden sich die Eltern verantworten müssen denke ich. Und das ist auch richtig so. Dahinter steckt sicherlich das eher unbewusste „Uns passiert so etwas nicht“, zumal sie ihren Sohn ja wohl quasi begleitet haben im Waffenumgang und somit sicher waren, dass er verantwortungsvoll damit umgeht. Wir alle denken ja oft, „mir kann das nicht passieren“. Das ist keine Entschuldigung, macht es aber sehr menschlich finde ich.

    @fressnet
    Danke für’s manuelle Einfügen. Es funzt von einigen Blogs nicht, keine Ahnung warum. Ich hab das Problem jetzt schon mehrfach entdeckt.

    @kblog
    Hm, dazu weiß ich auch keine Antwort. Vor ein paar Jahren dachte man ja auch hier, das könne hier niemals passieren, sei typisch Amerika. Ich persönlich glaube wohl eher nicht daran, dass es in irgendeiner (v. a. westlich orientierten) Gesellschaft nicht passieren könnte.

    @Homer
    Ja, den Artikel hab ich auch gelesen, ich glaube bei Spreeblick war er verlinkt. Auch dieser bei SpOn ist sehr lesenswert: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,612730,00.html. Die Konzepte scheinen zu existieren. Aber das Geld fehlt…

  17. Tobias Samstag, März 14, 2009 um 16:02 #

    … blöde Frage: hat es „früher“ – also vor 15 oder 25 Jahren – eigentlich Amokläufe gegeben ? Ich habe jetzt laneg überlegt, ich meine nein.

    Gesetzt „nein“ ist richtig – was hat sich denn geändert ?
    Ich kann mich auch an viel SELBSTzerstörung erinnern, an sinnloses Tun oder Nichtstun, weniger an Alkohol, aber auch viel an Sehnsucht nach Anerkennung. Computer gab es bei mir nicht.
    Ähnlich sehe ich das auch heute bei meinen Kindern – 9+17+19 – und ihren Freunden. Ja meine beiden Söhne (die jüngeren zwei) haben auch einen Hang zu Ballerspielen, aber in einem m.E. normalen Rahmen. Counterstrike oder Wolfenstein stehen doch auf dem Index – oder ? Ich weiß auch, daß man da dran kommt, aber ich habe als Vater eine ungefähre Vorstellung dessen was die Kinder am Computer machen, diese Spiele würde ich nicht tolerieren -> Grenzen setzen.
    Waffen….- gab es „früher“ Menschen, deren Eltern 14 oder 15 Waffen im Haus hatten ? Ich kenne niemanden, was aber ja nix heißen muss…
    Die Individualisierung der Gesellschaft ist ein grosses Problem und vielleicht war es dann gerade früher in der Kleinstadt anders, da waren vielleicht die Rentner-Nachbarn gar nicht mal so schlecht….

  18. Homer Samstag, März 14, 2009 um 18:57 #

    @ Tobias
    kurz gegoogelt:
    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,477562,00.html

    H.

  19. Homer Samstag, März 14, 2009 um 19:28 #

    @muschelschubserin

    dass in den Schulen einiges im Argen liegt ist schon seit langem bekannt und ich denke auch, dass dort einiges Verbessert werden kann – Sozialarbeiter und Schulpsychologen fuer jede Schule wäre schon mal ein Anfang – kostet aber „noch“ zuviel.
    Vieleicht ist es dann möglich, solche Taten in Schulen zu reduzieren – den Amoklauf an sich, wird dies nicht verhindern. In Alabama wurden am Tag zuvor auf offener Straße 11 Menschen durch einen älteren Mann bei einem Amoklauf getötet.

    Gruss H.

  20. kblog Samstag, März 14, 2009 um 20:31 #

    Ich schliesse durchaus nicht aus, dass es solche Amokläufe in der Schweiz oder anderswo geben könnte. Ich wollte aber auf etwas anderes Hinweisen: In den letzten Jahren kann ich mich mindestens an drei solche Amokläufe erinnern, aber nur in Deutschland.

    Klar, Amokläufe gibt es auch in der Schweiz, aber ich kann mich an keinen erinnern, dass einer von einem Schüler in einer Schule begangen wurde. Der letzte bekanntere Amoklauf in der Schweiz war im Kantonsparlament des Kantons Zug im September 2001. Der Attentäter war offenbar geistesgestört, ca. 40 Jahre alt und fiel vorher schon dadurch auf, dass er bei den Behörden als Querulant bekannt war.

  21. fenjala222 Sonntag, März 15, 2009 um 00:24 #

    Ich bleibe dabei: Du solltest Deinen Text einer Zeitung anbieten (Süddeutsche o.ä.). Der von „Homer“ genannte Spiegel-Artikel ist dagegen farblos. Und die Resonanz hier zeigt Dir, dass der Text gut ist.
    Also ran an die Buletten: Schick ihn – meinetwegen auch als Leserbrief – an große Tageszeitungen. Die warten drauf! Ich weiß, wovon ich rede. Bin selbst Journalistin.
    Aber die Zeit drängt. Die Presse vergisst sehr schnell! LG Fen.

  22. fenjala222 Sonntag, März 15, 2009 um 00:34 #

    Noch eine Frage: Welchen Beruf übst Du derzeit aus? Ganz im Ernst: Du hast absolut das Zeug, als Journalistin zu arbeiten! Deine Schreibe ist anschaulich und ergreifend. So soll es sein!
    Begnüge Dich nicht mit dem Internet!
    Das ist nur ein Tipp für Dich.
    Die furchtbaren Ereignisse müssen wir alle weiter beackern und bleiben dabei ratlos.
    Fen.

  23. Muschelschubserin Sonntag, März 15, 2009 um 19:28 #

    @Tobias
    Ich finde die Frage überhaupt nicht blöd, habe mir die selbe Frage auch gestellt. Scheinbar gab es das auch früher schon. Dass es im Link von Homer vermehrt in den letzten Jahren verzeichnet ist, heißt ja nicht unbedingt was. Es scheinen vermehrt Schüler zu sein. Was vielleicht ganz einfach damit zu erklären ist, dass das nun einmal eine verwirrende Zeit ist, in der man für vieles, was man später nicht mehr nachvollziehen kann, empfänglich ist. Wie du schon sagst, früher war das auch schon so. Oder schenken wir solchem Geschehen mehr (mediale) Aufmerksamkeit als früher?
    Ich denke , dass die Medien da durchaus eine Rolle spielen, denn es geht wie du auch schon sagtest auch darum, Aufmerksamkeit zu bekommen. Johnny Haeusler fragt bei Spreeblick (http://www.spreeblick.com/2009/03/12/amok-koma/): „Wie laut muss man als Jugendlicher eigentlich sein, um gehört zu werden? Noch lauter als eine Beretta?“ Und da du die Individualsierung der Gesellschaft ansprichst – was ich ebenfalls für ein wichtiges Thema halte – ist es nicht besonders schwer, in so einer Gesellschaft voller Individuen gehört zu werden?

    @Homer
    Ja, deswegen hab ich mich gefragt, ob man das überhaupt verhindern kann. Ob es überhaupt bemerkbar ist, wenn derjenige seine Pläne verheimlicht.
    Ich meine, ich hätte die Tage irgendwo (mir ist leider entfallen, wo) gelesen oder im TV gesehen, dass es an der betroffenen Schule schon so eine Art Krisenteam gegeben hat, auch vor dem Amoklauf (hat das noch wer mitbekommen und weiß mehr, ich finde das leider nicht mehr…?).

    @kblog
    Mir fallen da keine Gründe für ein. Ich weiß auch viel zu wenig, vielleicht wird bei euch mehr präventiv gearbeitet? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung.

    @fenjala222
    Ich hab ein Volo, studiere Journalistik und schreibe grad meine Diplomarbeit. 😀 Und ich kann die Bestätigung, die du mir hiermit so direkt gibst, verdammt gut gebrauchen, in Zeiten, wo meine Reportage-Angebote und Bewerbungsunterlagen ignoriert werden oder bestenfalls abgelehnt.
    Ich schaue mal, was sich machen lässt. Ich danke dir auf alle Fälle für die Aufmunterung, die mir das gibt. Das tut wirklich gut. 🙂

  24. Homer Sonntag, März 15, 2009 um 21:58 #

    unfortunately not ….
    http://www.cnn.com/2009/CRIME/03/15/miami.murder.suicide/index.html

    I still recommend the movie „Bowling for Columbine“
    some excellent statements from that movie:

    „Marilyn Manson: The two by-products of that whole tragedy were, violence in entertainment, and gun control. And how perfect that that was the two things that we were going to talk about with the upcoming election. And also, then we forgot about Monica Lewinsky and we forgot about, uh, the President was shooting bombs overseas, yet I’m a bad guy because I, well I sing some rock-and-roll songs, and who’s a bigger influence, the President or Marilyn Manson? I’d like to think me, but I’m going to go with the President.
    Michael Moore: Do you know that on the day of the Columbine massacre, the US dropped more bombs on Kosovo than any other day?
    Marilyn Manson: I do know that, and I think that’s really ironic, that nobody said ‚well maybe the President had an influence on this violent behavior‘ Because that’s not the way the media wants to take it and spin it, and turn it into fear, because then you’re watching television, you’re watching the news, you’re being pumped full of fear, there’s floods, there’s AIDS, there’s murder, cut to commercial, buy the Acura, buy the Colgate, if you have bad breath they’re not going to talk to you, if you have pimples, the girl’s not going to fuck you, and it’s just this campaign of fear, and consumption, and that’s what I think it’s all based on, the whole idea of ‚keep everyone afraid, and they’ll consume.“

    „Michael Moore: If you were to talk directly to the kids at Columbine or the people in that community, what would you say to them if they were here right now?
    Marilyn Manson: I wouldn’t say a single word to them, I would listen to what they have to say and that’s what no one did.“

    Maybe this can stop such rampages:
    „Chris Rock: You don’t need no gun control. You know what you need? Bullet control. I think all bullets should cost $5000. You know why? If a bullet cost $5000 there’d be no more innocent bystanders.“

  25. 1000sunny Montag, März 16, 2009 um 13:54 #

    Bravo! Gut gesagt.

  26. Frau Fahnder Freitag, März 27, 2009 um 20:32 #

    Hallo allerseits!

    Wie soll ich nur anfangen? Ihr sprecht mir alle aus der Seele. Genau das ist das Problem unserer Gesellschaft. Wer hat denn heute noch die Zeit, sich um unsere Kinder und Jugendlichen zu kümmern? Meistens müssen beide Elternteile arbeiten gehn, um die immer im Minus befindliche Haushaltskasse aufzufüllen.
    Die Lehrer trifft nur eine geringe Schuld, weil die ruhigen, schüchteren Kinder eben nicht auffallen.Die Pädagogen können nicht für die Defizite in der Erziehung verantwortlich gemacht werden.Sie sind so sehr mit der Bändigung der „auffälligen“ Kinder beschäftigt, da fallen die Kleinen und Leisen aus dem Raster.
    Und wo fängt alles an?
    Es ist doch super, wenn die Eltern ihr Baby schon nach drei Monaten in die Tagesstätte geben können, damit sie dann wieder arbeiten können und Steuern zahlen können und so in keiner Sozialstatistik mehr zu finden sind. Ist doch super, dass alleinerziehende Eltern wieder arbeiten gehen dürfen! Ich hab mal gehört, dass die ersten drei Jahre eines Kindes die wichtigsten für die weitere Entwicklung sind, weil in dieser Zeit werden sie am meisten geprägt. Wieviel Zeit bleibt da noch für’s Schmusen, wenn die Eltern ausgepowert von der Arbeit nach Hause kommen?
    In der Grundschule dürfen die Kinder dann in der Ogata verbringen, um dann am späteren Nachmittag von einem gestressten Elternteil abgeholt werden zu können. Wieviel Zeit bleibt da noch für ein Gespräch über die Erlebnisse des Tages? („Jetzt lass mich mal in Ruhe, ich bin müde..“).
    Auf den weiterführenden Schulen sieht es doch nicht anders aus. Und die reichen Kinder kriegen ein großes Freizeitangebot, die Armen bleiben sich zum großen Teil selbst überlassen. Denn Einrichtungen, wo sich die Kinder unter Aufsicht eines Erwachsenen treffen können, werden wegen leerer Haushaltskassen der Städte kaum noch finanziell unterstützt.
    Wer hat die Zeit, den Kindern Liebe, Zärtlichkeit, Geborgenheit zu schenken? Haltlose Jugendliche konsummieren Drogen und Alkohol, weil sie vor der Realität flüchten müssen. Merkwürdig, dass es nicht möglich ist, ein paar Millionen Euro mehr in unsere Kinder zu investieren, es wäre eine Investition für die Zukunft! Warum hat eine Hausfrau oder ein Hausmann nicht den gleichen Stellenwert wie die Berufstätigen? Ich für mich bin froh, dass ich aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten muss, aber: ich bin für meinen Sohn da. Er kann mir erzählen, dass ihn ein Klassenkamerad geärgert hat, und ich kann ihm Hlfestellung bei der Problemlösung geben. Er ist neun Jahre alt, aber er hat keinen eigenen Fernseher, keinen eigenen Computer, keine große Spielkonsole. Und sobald es ein bißchen wärmer wird, fährt er sicherlich nach den Hausaufgaben lieber zum Spielplatz, weil auch ich nicht stundenlang vor der Glotze sitze.Ich geh dann lieber auf den Balkon und kümmer mich um meine Blümchen.
    Die ganze Problematik in unserer Gesellschaft hat viel mit der Verteilung der Verantwortung zu tun. Denn : wer fühlt sich denn heute noch für unsere Zukunft verantwortlich? Die jetzt heranwachsende Generation wird eines Tages diesen Staat regieren, wenn nicht vorher schon das Chaos in diesem Lnd ausgebrochen ist?!
    Alles mögliche in diesem Land wird mit Gesetzen reglementiert. Doch wie schaffen wir es, endlich wieder glücklich zu werden hier?

  27. Muschelschubserin Freitag, März 27, 2009 um 22:07 #

    Hallo,

    ich gehe da jetzt mal nicht weiter drauf ein. Hab das Gefühl, ich würde mich nur wiederholen. Ich stimme dir aber in den Fragen zu. Vielleicht stellen wir uns manche Fragen gar nicht mehr, die zu stellen wichtig wäre, sondern hetzen zu unreflektiert in Richtung „Zukunft“. Ich stelle mir selbst viele solcher Fragen im Moment, das ist gar nicht so einfach, diese Fragen überhaupt zu formulieren.

    Danke für deine Ausführungen! 🙂

  28. Homer Sonntag, März 14, 2010 um 16:49 #

    Hi,
    I just read this post and most of the comments again. Just want to say it is a really well written post and brought back again many many similar memories of our youth in our ‚beautiful‘ town….

    H.

  29. Muschelschubserin Montag, März 15, 2010 um 13:07 #

    Danke. 🙂

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