RUHR.2010 – Wohin? Und mit wem?

5 Jan

Ich weiß nicht, wie lange ich noch im Ruhrgebiet wohnen werde, vermutlich und ehrlich gesagt auch hoffentlich nicht mehr allzu lange. Trotzdem ist es mir ans Herz gewachsen, habe ich mich hier wesentlich mehr sowas wie „zu Hause“ gefühlt als ich das jemals im Münsterland getan habe und mache dieses Jahr tatsächlich ein ganzes Jahrzehnt in Dortmund voll. Was mir allerdings wirklich leid tut, ist, dass ich den selben Fehler begangen habe, wie es viele Menschen in ihrer Heimat (für mich ein viel zu starkes Wort, aber gut) tun: Ich hab mich viel zu wenig damit auseinandergesetzt. Die Leute, denen ich hier begegnet bin, hatten selbst wenig Interesse an Industriekultur und dem Strukturwandel, ich selbst habe den Hintern auch nicht wirklich hoch bekommen. Dabei sage ich schon lange, dass ich das Ruhrgebiet für eine der spannendsten Regionen Deutschlands halte. Gleichzeitig bin ich noch immer erschrocken, welche Vorurteile sich gegen das Ruhrgebiet hartnäckig halten – und zwar nicht weit unten in München oder sonstwo, sondern selbst in der direkten Umgebung wie dem Münsterland. Wie oft musste ich mir dumme Sprüche anhören von Bekannten, die von dreckiger Luft und Beton faselten und mich ungläubig fragten, warum ich denn bitte schön in Dortmund wohne – und nicht im ach so lebenswerten Münster. Ich habe mich immer gefragt, wie man so ahnungslos sein und gleichzeitig so weit die Klappe aufreißen kann? Und doch hab ich auch selbst viel zu wenig erlebt vom Ruhrgebiet. Ich wünsche mir, dass das Kulturhauptstadt-Jahr etwas ändert, an der Ahnungslosigkeit vieler Außenstehender und an meiner eigenen.

Es mag sein, dass sich der Reiz der Metropole Ruhr nicht gleich auf den ersten Blick erschließt. Wer zum Shoppen nach Dortmund kommt und den schnurgeraden Westen- und Ostenhellweg lang flaniert, entdeckt hier nichts anderes wie in jeder x-beliebigen anderen deutschen Großstadt auch. Wer dann noch ins „damals“ attraktive und alternative Brückstraßenviertel abbiegt, bei dem dürfte die Langeweile mittlerweile umschlagen in Schock. Bei mir war’s so. Aber das ist es jawohl auch nicht, was das Ruhrgebiet ausmacht. Es sind hochmoderne Technologien wie im Technologiepark an der Uni und bald auch auf dem Phoenix-Gelände. Ich war mal als Fotografin in einer der Firmen im Technopark, der auch schonmal „Silicon Valley Deutschlands“ genannt wird. Mikro- und Nanotechnologie vom Feinsten gab’s dort, ich hab Bauklötze gestaunt. Es ist natürlich die Industriekultur, die Nutzung alter Industrieanlagen, -hallen und -flächen für alles, was man sich an Kultur vorstellen kann: Museen, Abenteuerspielplätze, Mountainbike-Halden, Ausstellungsorte, Lichtinstallationen, Bergbau-Wohnsiedlungen, Tauch- und Ausstellungsgasometer, Theaterbühnen, Klein- und Straßenkunst, Konzertevents und, und, und. Niemand kann ernsthaft behaupten, für ihn sei nichts dabei. Und: Sowas gibt es nirgends sonst. Darauf darf man ruhig auch mal stolz sein. Dazu kommt erstaunlich viel Natur, die einen innerhalb weniger Minuten seelenmäßig aus der Metropole fliehen lässt, ob Außenstehende das nun glauben wollen oder einen bei einer solchen Aussage mitleidig angucken, weil sie glauben, man hätte es als Ruhrgebietler nötig, die Heimat ein bisschen grüner zu flunkern als sie ist.

Trotzdem und damit zurück zum Anfang: Ich war noch nie auf Zollverein, habe noch nie die Kokerei Hansa gesehen, war noch nie bei der Extraschicht (Nacht der Industriekultur mit Veranstaltungen im ganzen Ruhrgebiet) dabei – sprich: ich bin selbst nach zehn Jahren furchtbar planlos. Das tut mir zunehmend leid, vielleicht, weil ich weiß, dass ich hier vermutlich in absehbarer Zeit weg bin. Ich hab einiges aufzuholen. Deshalb möchte ich, soweit es machbar ist (denn ich stecke ja mal wieder in Prüfungsvorbereitungen und danach kann sehr schnell alles anders werden), das Jahr der Kulturhauptstadt nicht einfach so an mir vorbeiziehen lassen.

Das RUHR.2010-Jahr wird, auch wenn schon erste Veranstaltungen laufen, am kommenden Wochenende offiziell eröffnet. Wer generell oder zum Beispiel am Sonntag zur Eröffnung Interesse hat, darf sich gerne bei mir melden, hier oder per Mail an muschelschubse(ät)web(punkt)de. Mich interessiert zum Beispiel das neue Ruhr Museum, ich bin da aber offen für so ziemlich alles. Ich suche noch weitere Neugierige und würde mich über Gesellschaft freuen.

Weitere Infos gibt’s zum Beispiel hier:

→ Website der Kulturhauptstadt RUHR.2010. Darüber berichten unter anderem die Ruhrbarone regelmäßig.

→ Website des Ruhr Museum in Essen, das am 10. Januar eröffnet wird.

→ Website der Route Industriekultur

→ Website zur Extraschicht, die immer im Sommer stattfindet

→ Für Gäste und Gastgeber: Website Ruhr-Tourismus

Zwanzig10 (beta): Zusammenschluss von Blogs aus dem Ruhrgebiet zum Thema Kultur und Kulturhauptstadt

Fotos: 1 und 2 Landschaftspark Duisburg, 3 – Ausstellung „Sternstunden – Wunder des Sonnensystems“ im Gasometer Oberhausen; © Muschelschubserin

9 Antworten to “RUHR.2010 – Wohin? Und mit wem?”

  1. Kirsten Dienstag, Januar 5, 2010 um 13:11 #

    Sehr spannend ist die Zeche Zollern II/IV. Und man muss nicht gleich bis nach Essen fahren. 😉 Nur, falls Du noch nen Tipp brauchst.

  2. Muschelschubserin Dienstag, Januar 5, 2010 um 13:16 #

    Immer her damit, danke. 😀

  3. steffi Dienstag, Januar 5, 2010 um 14:01 #

    ich bin am sonntag auf jeden fall (privat) auf zollverein, samstag nacht auch schon. wir können uns da gerne treffen!
    und bei der auflistung der websites kann ich dir noch die http://www.ruhr-tourismus.de empfehlen

  4. Stromfrau Dienstag, Januar 5, 2010 um 16:12 #

    Duuuuuu warst noch nicht auf Zollverein? Dann aber hopp. War ich vorletztes Jahr mit Frank – ist echt nen Besuch wert. Vor allem weil es in meiner Heimatstadt liegt! Ich interessiere mich schon immer für das Ruhrgebiet, haben meinem Schwiegervater nen Ruhrgebiets-Buch zu Weihnachten gekauft und hoffe, es mir mal ausleihen zu können! Ruhrgebiet ist toll!

    Wir können gerne den ein oder anderen Besuch starten wenns dich nicht stört, dass ich nen Kinderwagen schiebe ;o)

    Ab 15.00 Uhr bis ca. 18.30 Uhr ist Zeit, einiges abzuklappern – bin gerne dabei!

    Küsschen

    PS: Wo gehste denn bald Muscheln schubsen; antworte mal auf meine Mail ;o)

  5. Muschelschubserin Dienstag, Januar 5, 2010 um 17:03 #

    @steffi
    Ui, das hört sich gut an, siehe dm bei Twitter. Mit dir wäre ich dann ja sogar in richtig kompetenter Gesellschaft. 🙂 Link ist oben ergänzt.

    @Stromfrau
    Ich kann voraussichtlich bis Mitte Februar außer in Notfällen eher an den Wochenenden. Wie sieht’s da bei dir aus? Mail kommt demnächst. 😉

  6. eyeIT Dienstag, Januar 5, 2010 um 22:08 #

    Na, warte, wenn du mal erst in Zürich bist! 😉 😀

Trackbacks/Pingbacks

  1. Pottblog - Mittwoch, Januar 6, 2010

    Links anne Ruhr (06.01.2010)…

    Duisburg: Höchste Arbeitslosenquote im Ruhrgebiet (DerWesten) – Bisher hatte Gelsenkirchen die "rote Laterne" bei den Arbeitslosenzahlen, im Dezember konnte diese zweifelhafte Ehre jedoch an Duisburg weitergereicht werden, wo die ….

  2. Anonymous - Mittwoch, Januar 6, 2010

    […] […]

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    […] am Vortag: Ruhrgebiet: RUHR.2010 – Wohin? Und mit wem? (Muschelschubserin) – Ein schöner Beitrag von einer Ruhrgebietsbewohnerin über Vorurteile und […]

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